Innovationsstau bei den Möbel-Zulieferern? Ein ZOW Review.
Designer und Noch-Branchen-Outsider Markus Wild folgte am 7. Februar der Einladung unseres Kooperationspartners Schüco-Design und besuchte zum ersten Mal die ZOW in Bad Salzuflen, die Zuliefermesse Ostwestfalen. Hier sein (subjektiver) Bericht:
Was auf den ersten Blick wie eine kleinere Regionalmesse wirkt, wird in Branchenkreisen, zumindest in den geraden Jahren – wenn die Interzum Pause macht – als die wichtigste Messe im Möbelzulieferer-Bereich angesehen. 700 Aussteller zeigen hier eine riesige Vielfalt an Oberflächen, Materialien, Beschlägen und Technologien. Soviel zur Theorie.
Am Hauptkampftag war auf der Messe kaum ein Durchkommen. Nachdem die erste Begeisterung über die großen Stapel an ausdrucksstarken Furnieren und riesigen Edelholzblöcken sich auch durch vielfache Wiederholung nicht mehr steigern ließ, wurde schnurstracks die komplette Messe durchquert und der Schüco Design Stand angesteuert.
Dort wurde zum ersten Mal das neue „Green Office“ Konzept ausgestellt, welches die Schüco Ingenieure nach unserer Idee und Designkonzeption in einer ersten Version für den Büromöbler Lindner umgesetzt hatten. Gott sei Dank erfreute es sich nicht nur angeregten Interesses, sondern war auch auf dem Schüco Stand als Innovation ordentlich herausgestellt. Im Grunde eine einfache und naheliegende Idee: „Hightech-Blumenkübel am laufenden Meter“ geeignet für die Bepflanzung moderner Bürosysteme aber auch für das Wohnzimmerpaneel. Warum ist da bisher eigentlich noch keiner darauf gekommen?
Der Weg über die Messe machte so langsam die beherrschenden Trends der Branche bewusst. Eiche, Eiche nach wie vor, aber angeblich ist der Höhepunkt schon überschritten. Ansonsten sah es fast überall aus, wie auf der Baustelle. Sägerauh bis dass die Schalbretter krachen, allerdings ohne Splitter im Finger. Der authentische Grunge Look wird auf allen Materialien, von MDF über Alu bis HPL digital gedruckt. Man muss schon wirklich genau hingucken, um die Reproduktion zu erkennen. Dabei begeistert, dass all diese Möglichkeiten in kleinsten Stückzahlen verfügbar sind. Wie z.B. bei der Firma MB Digitalprint, die mit dieser Technik nicht nur die trendigen Dekore der Burger-Restaurants mit dem M ausstattet.
Gleich weiter zum alten Designerfreund Michael Sommer von Union Knopf, der stolz seine ganze Kollektion an Neuheiten zeigte. Und wieder bestätigte sich der Eindruck – Grunge ist schwer im Kommen. Die besten Modelle sahen aus, als hätten wir sie vor 25 Jahren grob in der Metallwerkstatt der Essener Uni bei Meister Müller zusammengeschweisst. Diesmal aber alles echt! Respekt.
Nächste Station war ein ebenso alter Bekannter, Abet Laminati – die Trendsetter aus der Memphis Ära, die in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts mit Graffitti und anderen poppigen Mustern auf HPL Platten den Möbelmarkt durcheinanderwirbelten. Inzwischen ist der Innovationsgrad leider erheblich zurückgegangen und darüber kann auch der Swarovskistein-Besatz durch Konstantin Grcic nicht hinwegtäuschen.
Dann zu den großen Beschlagherstellern, Hettich, Kesseböhmer, EKU, Ergoswiss, Julius Blum… 60er/30er/15er Korpus – klar, elegante Bewegung ist das Thema, gasgedämpft und motorunterstützt. Aber wo man hinsieht – nur inkrementelle Innovation, kein wirklich radikaler Sprung, nur wenige Überraschungsmomente. Verbesserung der bestehenden Mechaniken, aber das soll’s schon gewesen sein? Hier machte sich doch etwas Enttäuschung breit.
Und auch bei den Elektrifizierern, den Kommunikations-möblern und den Beleuchtern blieben die gezeigten Neuheiten hinter den Erwartungen zurück. Es gibt zwar nette Sensorschalter, die man unter der Möbeloberfläche veschwinden lassen kann. LED ist natürlich an jeder Ecke zu sehen, aber nur selten so clever umgesetzt, wie bei Halemeier, bei denen auch das, komischerweise auf der ganzen ZOW nur selten zitierte iPad, ein Zuhause – in Form einer wireless-Ladestation – gefunden hat.
Am Ende eines langen und intensiven Tages auf der ZOW bleibt ein zwiespältiges Resümee: schöne, hochwertige und solide Produkte in den gewohnten Kategorien. Großflächige Materialwirkung mal echt, meistens unecht, immer jedoch eindrucksvoll.
Zwischen den eingespielten Kategorien bleiben aber viele unausgefüllte Lücken, die nach Innovation schreien, man müsste nur mal über den Tellerrand schauen. Neue Funktionen einbinden, wie es Hailo mit dem Containersystem Safety- und Flexi-Kit zeigt, Lebensräume und –Themen vermischen, wie Büroarbeitsplatz und Wohnraum oder Küche und Hobbyraum.
Oder einfach eine ungewöhnliche Idee umsetzen – wie das Schüco Green Office System. Auch wenn die erste Auflage noch viel Rücksicht auf Standardbehältermaße nimmt, mit dieser Innovation hat in der Branche niemand gerechnet, sie überschreitet die gewohnten Kategoriegrenzen und bringt damit ein ganz neues Thema ins Spiel: lebendige Pflanzen, raus aus dem Topf, hinein ins Möbel. Danke an die Schüco-Design Ingenieure.
Nächstes Mal ließe sich nur die Bepflanzung etwas modernisieren, z.B. durch Gräser, Küchenkräuter und gern auch kurzgeschnittenen Fussballrasen. Dann bekommen wir endlich auch noch den Auftrag, den Mini-Rasenmäher zu gestalten.
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Büro Gelsenkirchen, +49 209 702 642 00

Markus
Markus schreibt über Design- und Innovationsmanagement, Kreativitätsmethoden, Medical Design und Intercultural Branding. Mehr über...